6,5 Meter aus Aluminium und 52.825 Löchern
Eines unserer größten Projekte
Die „Schreitende“ war nicht nur eines unserer bisher größten Projekte, sondern auch eines der ungewöhnlichsten. Eine Skulptur von 6,5 m Höhe ist bereits nichts Alltägliches. Doch solange sie aus einer geschlossenen Oberfläche besteht, unterscheidet sich unsere Herangehensweise nicht wesentlich von anderen großen Skulpturen.
Ein kleines Loch von 12 mm Durchmesser machte hier den Unterschied. Denn es trat im Schwarm auf, über die ganze Oberfläche verteilt! Genauer: 52.825 Löcher im Abstand von durchschnittlich 10 mm zueinander mussten die gesamte Skulptur-Oberfläche durchbrechen.
Detailansicht der Löcher im 3D-gedruckten Modell
Alles fing mit einer Skizze an. Sie gab uns nur einen groben Eindruck der gewünschten Ausführung der Künstlerin. Der erste Schritt war es also, Ein digitales Modell zu erstellen und in regelmäßiger Abstimmung mit der Kundin auszuarbeiten. Es ist eine der Kernkompetenzen von EGO3D, bildliche, zweidimensionale Vorlagen in dreidimensionale Skulpturen, Figuren, Büsten und sonstige Objekte zu überführen. Daher konnten wir auch bei diesem Projekt diesen Schritt schnell und zu voller Zufriedenheit der Kundin abschließen.
Das digitale Modell im Größenvergleich mit einem 1,80 m großen Menschen
Der Korb, den die Skulptur über ihren Kopf erhebt, war dabei ein interessant zu modellierendes Objekt, da wir dafür „digitales Korbflechten“ bzw. „Korbweben“ anwandten. Die ineinander verschlungenen Bänder haben wir dabei von vornherein auch mit den Anforderungen der Gießerei abgestimmt, damit sie später gussgerecht abgeliefert werden konnten.
Der fertig gegossene Korb
Es ist der vielleicht größte Vorteil der digitalen Bildhauerei, dass man mit ihr praktisch jede echte Gestaltungstechnik nachstellen kann. Nicht nur das klassische Modellieren mit Ton oder in Stein kann auf dem Bildschirm und mit einem digitalen Zeichenstift nachempfunden werden. Auch exakte technische Modellerstellung oder eben das Flechten, Verdrehen, Weben und Knoten von länglichen Objekten jeglicher Art stellen keine Probleme dar.
Nach der Freigabe der eigentlichen Skulptur ging es in die zweite Phase, das „Durchlöchern“ der Oberfläche. Die eigentliche Herausforderung war aber nicht die schiere Anzahl an Löchern, die für eine 6,5 m große Skulptur notwendig waren. Es war die Verteilung der Löcher. Diese sollte nämlich so gleichmäßig wie möglich ausgeführt werden.
Die Künstlerin hatte schon vorher größere Skulpturen umgesetzt, aber nicht im Bronzeguss, sondern aus Lochblechen geschweißt. Auf einem Lochblech sind die Löcher alle gleich groß und in gleichen Abständen verteilt.
Die „Schreitende“ ist jedoch eine menschliche Figur mit natürlich wallender Kleidung am Körper. Die Oberfläche der Skulptur ist somit sehr organisch. Es ist bekanntlich ja schon unmöglich, einen Globus verzerrungsfrei zu einer Landkarte aufzuklappen. Und da die Oberfläche einer menschlichen Skulptur ungleich komplizierter ist als die eines Globus / einer Kugel, scheint es eine unlösbare Aufgabe zu sein, sie so aufzufalten, dass sich darauf Löcher streng gleichmäßig wie auf einem ebenen Lochblech verteilen lassen.
Oder stellen Sie sich vor, Sie müssten einen Anzug komplett aus einem gemusterten Stoff herstellen, ohne dass an all den Nahtstellen das Muster unterbrochen wird. Das scheint unmachbar.
Doch hier kommen digitale Methoden ins Spiel, die Unmögliches wie durch Zauberhand möglich machen können. Anstatt die Oberfläche der Skulptur auseinanderzufalten und wie Einzelteile eines Kleidungsstückes mit Löchern zu mustern, (was so ähnlich auch in der 3D-Modellierung eine gängige Methode ist), nutzten wir neueste mathematische Methoden, die es ermöglichen, Objekte (und somit auch Löcher) gleichmäßig über komplizierte Oberflächen zu verteilen. So erhielten wir ein bereits sehenswertes Lochmuster. Anschließend überprüften wir die gesamte Verteilung der Löcher und besserten an vielen Stellen manuell aus, um das Ergebnis so nah wie möglich an eine „Idealverteilung“ der Löcher heranzubringen.
Für den Betrachter wirkte die gesamte Skulptur schließlich, als wäre sie aus streng gemustertem Lochblech zusammengebaut worden, obwohl das aufgrund ihrer organischen Oberfläche praktisch unmöglich ist.
3D-gedrucktes Modell des Kopfes der Skulptur
Die fertige Skulptur vor Ort
Doch obwohl wir das Rätsel der Oberfläche gelöst hatten, stand uns noch eine ganz andere Herausforderung bevor: Da die Gießerei eine zehntausendfach durchlöcherte Oberfläche nicht abformen kann, musste die gesamte sechseinhalb Meter große Skulptur in ausbrennbarem Material hergestellt, bzw. 3D-gedruckt werden. Ausbrennbare Modelle herzustellen war für uns nicht neu, aber die Größe des Modells in diesem Fall schon.
Es ist ein absoluter Ausnahmefall, wenn eine Skulptur dieser Größe ausbrennbar herhestellt wird.
In über 500 Einzelteilen wurde die Skulptur gedruckt, ca. 5000 Maschinenstunden waren dafür nötig. Die Einzelteile wurden danach in unserer Werkstatt zu 20 Modulen zusammengebaut, deren Größe mit der Gießerei abgestimmt waren.
Ein Teil der Module, beschriftet und bereit zur Auslieferung
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei einer so großen Skulptur, die in Einzelmodulen zur Gießerei geliefert wird, ist die Passgenauigkeit. Bei Projekten dieser Größe planen wir daher die Montage bereits digital voraus. Bei Bedarf wird jedes kleine Einzelteil mit Orientierungspunkten, Befestigungssystemen, Nuten und anderen Hilfskonstruktionen ausgestattet, damit in der Werkstatt ein Reibungsloser, exakter Aufbau folgen kann.
Die Maßhaltigkeit unserer digitalen Modelle sowie unserer anschließenden 3D-Drucke gewährleisten Passgenauigkeit im Milimeterbereich, selbst bei 6,5 m hohen Skulpturen!
Nachdem wir alle 20 Module zusammengesetzt und diese an die Gießerei ausgeliefert hatten, wurde dort jedes einzelne Modul in Aluminium abgegossen und die komplette Skulptur zusammengeschweißt.
Auf einem offenen LKW-Anhänger liegend machte sich die Skulptur schlussendlich auf den Weg zu ihrem heutigen Standort.
Die fertig gegossene Skulptur auf dem Weg zu ihrem Aufstellungsort